Wetzlarer Tage der Phantastik 2024

Call for Papers: 40. Wetzlarer Tage der Phantastik (13.–15. September 2024):

Alles von gestern?
Mythen in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

Dem Mythos haftet der Ruf an, aus grauer Vorzeit zu stammen, aus jenem Damals, als die Menschen noch übernatürliche Wesen brauchten, um sich die Welt zu erklären. Schon Platon diskreditierte ihn als unvernünftig, verlogen und kindlich und verbannte ihn aus seinem erdachten Staatsgefüge zusammen mit den Dichtern. Spätestens mit Beginn der Moderne galt der Mythos als vom rationalen Blick auf die Welt überholt. Seine Erklärungsmodelle schienen ausgedient zu haben.

So einfach ließe sich der Mythos vom Mythos erzählen, wenn nicht die Realität diese Geschichte Lügen strafen würde. Nie haben die Menschen aufgehört, alte Mythen weiterzuerzählen und neue Mythen zu schaffen. Gerade der Rationalismus der Moderne schafft hier eine Leerstelle, in die das Mythische hineindrängt. Bereits die Frühromantiker forderten vehement eine „neue Mythologie“. Hans Blumenberg sah im Mythos eine durchaus vernünftige Strategie, die Welt weniger bedrohlich zu machen. Und auch heute lässt sich feststellen, dass die Welt nicht mehr so entzaubert ist, wie Max Weber das vor gut hundert Jahren konstatierte. Längst ist von einer „Wiederverzauberung der Welt“ die Rede, die sich in phantastischen Genres, aber auch Verschwörungsmythen Bahn bricht. Die Grenzen verwischen zwischen der Beschreibung dessen, was ist, und dem bildhaften Sprechen über abstrakte Phänomene.

Nirgends wird dieses Wechselpiel zwischen Mythos und Logos so deutlich wie in der phantastischen Literatur, die seit ihrem Entstehen für das „Andere der Vernunft“ (Ruthner) steht. Frank Weinreich sieht im Mythos gar die Keimzelle der phantastischen Literatur. Insbesondere die Fantasy steht in enger Verbindung zum Mythos. Nicht von ungefähr stellte J. R. R. Tolkien seine Texte bewusst in die Tradition des Mythos und griff sowohl dessen Figuren als auch dessen Erzählweise auf, woraus die Fantasy als „Mythos mit ‚Augenzwinkern‘“ (Weinreich) erwuchs.

Aktualität gewinnt das mythische Erzählen aber auch als entzeitlichtes Erzählen, das allgemeingültige Bilder entwirft, die weit über das Hier und Jetzt hinausreichen. Im Zusammenhang mit der erzählerischen Bewältigung der Klimakrise zeigt Amitav Ghosh die Grenzen des realistischen Erzählens auf und weist auf die magisch-mythische Erzählweisen hin, die globale und langfristige Phänomene besser in Worte fassen können. Nicht zuletzt schlossen die 39. Wetzlarer Tage der Phantastik zu Climate Fiction 2023 mit dem Ruf nach neuen Mythen und Utopien, um uns aus der Klimakrise herauszuerzählen.

Bei den 40. Wetzlarer Tagen der Phantastik wollen wir versuchen, alten und neuen Mythen auf die Spur zu kommen, um so zwischen altbekannten Mythen und neuen Bildern eine Brücke zu schlagen. Wir erbitten Vortragsvorschläge zu folgenden Fragestellungen:

  • Wie haben Mythen in der Vergangenheit dazu beigetragen, dass wir uns die Welt erklären konnten? Wie haben sie Einzug in moderne literarische Werke gehalten und welche Veränderungen haben sie dabei erfahren?
  • Welche Mythen haben sich bis heute im Volksglauben erhalten? Wie lässt sich in der heutigen aufgeklärten Welt der fortbestehende Glaube an die Existenz mythischer Wesen erklären?
  • Welche mythischen Wesen treten zur Zeit in Texten der Phantastik gehäuft auf? Wie werden diese variiert?
  • Welche alten und neuen Mythen haben heutzutage Konjunktur – sowohl bei der Beschreibung persönlichen Erlebens (z. B. Spukhäuser) als auch bei der Konstruktion sinnstiftender Erzählungen (z. B. Verschwörungsmythen)?
  • Ist die Fantasy die moderne Literaturform der Märchen bzw. der Volkserzählungen?

Bitte schicken Sie ein Exposé von max. 300 Wörtern für einen 30-minütigen Vortrag sowie die eigene Kurzbiographie (max. 150 Wörter) bis zum 29. Februar 2024 an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.

Die Tagung findet vom 13. bis 15. September 2024 in den Räumen der Phantastischen Bibliothek Wetzlar, Turmstraße 20, 35578 Wetzlar statt.

Die Phantastische Bibliothek Wetzlar erstattet für die Referent*innen in der Regel die Kosten für eine Bahnfahrt 2. Klasse plus Übernachtungskosten. Da unsere Mittel sehr begrenzt sind, erbitten wir bei zu erwartender kostspieliger Anreise einen kurzen Hinweis zusammen mit dem Exposé, damit wir ggf. eine unseren finanziellen Möglichkeiten entsprechende finanzielle Regelung finden können. Referent*innen zahlen natürlich keinen Tagungsbeitrag.

 

Zusätzliche Informationen